Thema 19: Die Bodenreform 1945
11. Juni: Nach dem Zusammenbruch des nazistischen Regimes herrschte Chaos auf dem Lande. Die KPD forderte in einem Aufruf vom 11. Juni die entschädigungslose Enteignung der Großgrundbesitzer, der Nazi- und Kriegsverbrecher, und die Aufteilung des Bodens an die bisherigen Landarbeiter ohne Besitz, Kleinbauern und an die „Umsiedler“ (heute spricht man von Vertriebenen aus den Ostgebieten).
Diese Forderungen wurden in die Dörfer getragen, und der Landbevölkerung auf -zig Veranstaltungen erläutert. Es erfolgte eine allgemeine mehrhaltige Zustimmung der Landbevölkerung zur Durchführung einer Land- bzw. Bodenreform.

02. September:
Wilhelm Pieck, der Vorsitzende der KPD, legte bei einer Rede in Kyritz das Programm zur Durchführung einer Bodenreform dar. Unter der Losung „Junkerland in Bauernhand“ wurde jetzt überall in der sowjetischen Besatzungszone das Ackerland aufgeteilt.
06. September: Zur Durchführung der demokratischen Bodenreform im damaligen Land Brandenburg wird eine Verordnung durch die Provinzialverwaltung Brandenburg erlassen.
01. Oktober:
- Der Genosse Jentsch, Bürgermeister der Stadt Frankfurt (Oder), erhielt den Auftrag zur Durchführung der Bodenreform innerhalb des Stadtkreises. Dazu wurde nun eine Kreiskommission gebildet.
- Auf Befehl Nr. 40 der Sowjetischen Militäradministration in Deutschland (SMAD) wurde der geregelte Schulunterricht wieder aufgenommen.
12. Oktober 1945: Zur Bodenreform veröffentlicht die evangelisch-lutherische Kirche einen Hirtenbrief an die Bauern.
03.–11. und 25./26 Oktober
Durchführung der Bodenreform laut Befehl 209 der SMAD in den ländlichen Gebieten.
Alle landwirtschaftlichen Betriebe, die mehr als 100 ha groß sind sowie Kriegsverbrecher und Faschisten werden ohne Endschädigung enteignet. 3,3 Millionen Hektar, das sind 35 % der landwirtschaftlichen Nutzfläche der DDR werden an 559.089 Umsiedler, Landarbeiter, Kleinbauern und volkseigene Güter vergeben.
Für die Aufteilung kamen im Stadtkreis Frankfurt (Oder) fünf Güter in Frage:
Kliestow (489 ha), Lichtenberg (690 ha), Markendorf (850ha), Rosengarten (730 ha), Lossow (953 ha).
Außerdem wurden in Güldendorf 46 ha aus städtischem Gebiet verteilt - ausgetauscht gegen eine gleiche Fläche des Gutes Kliestow (Güter in Kliestow siehe auch ►Thema 6 "Entwicklung der Güter").
Bei den 11 örtlichen Kommissionen zur Durchführung der Bodenreform konnten die Anträge auf Zuteilung von Land gestellt werden. Im Oktober reichten 41 Landarbeiter, 18 landarme Bauern und 130 Umsiedler Anträge ein.
Jeder, der einen Antrag stellte, ob Landarbeiter, Umsiedler, auch Arbeiter, bekam in der Regel 5 ha Land. Landarme Bauern erhielten die Differenz zu 5 ha. Auch wurden Wald und Wiesen verteilt.

Landverteilung in Kliestow am 09.10.1945 (links) und Fahrt zur Bodenverteilung von Kliestow zu Hexenberg (rechts)
Bürgermeister Jentsch erklärte im Abschlußbericht, den er der Stadtverordnetenversammlung gab:
„Wir wussten wohl, wo die Güter waren; mitunter fanden wir nur noch Trümmer und wüste Verhältnisse auf diesen Gutshöfen. Die Menschen waren verschüchtert. Außerdem, und das war das Schwierigste bei der ganzen Angelegenheit, machte sich ein großes Misstrauen in der Bevölkerung bemerkbar. Die meisten Menschen hielten schon die Durchführung der Bodenreform für eine Utopie. Sie konnten sich nicht vorstellen, dass alle Grundherrensitze, die sich vielleicht Jahrhunderte hindurch im Besitz der Feudalherren befanden, plötzlich entschädigungslos enteignet werden sollten, um sie aufzuteilen gerade an die, die in diesen Dörfern jahrhundertelang die Rolle rechtloser Knechte gespielt haben ....“
Es erfolgte eine feierliche Landzuteilung in Rosengarten, Kliestow, danach in Lichtenberg, Markendorf und Lossow: Rund 70 ehemalige Landarbeiter, Umsiedler und landarme Bauern in Kliestow erhielten aus den Bodenfonds Grund und Boden.
Es wurden in Kliestow 355,9 ha (351 ha Acker, 6 ha Wiese und Weide) enteignet und davon aufgeteilt: 139,4 ha auf 30 Landarbeiter und landlose Bauern, 21,9 ha auf 8 landarme Bauern, und 160,9 ha auf 39 Umsiedler.
Dazu konnte Genosse Jentsch berichten:
„Das war ein historisches Ereignis, ein Volksfest, das sich in den Dörfern abspielte, als die Kreiskommission mit Musik und einem Omnibus erschien, um mit den Bauern und Arbeitern zusammen die Felder zu verteilen, die abgesteckt - vorher provisorisch vermessen - waren ...“
Es entstehen in Kliestow auf dem Hexenberg (Weiler) 25 Neubauerngehöfte (s. a. ►Thema 9 "Der Hexenberg"). Weitere Gehöfte entstehen am Wulkower Weg und 18 entlang der Berliner Chaussee und weitere verteilt im Dorf. So wurden etwa insgesamt 60 Neubauerngehöfte durch die Bodenreform eingerichtet.
9. Oktober 1948:
Der 9. Oktober war der Haupttag der Bodenreform in Kliestow, wie aus der nachfolgenden Urkunde ersichtlich. Die Verantwortlichen für die ordnungsgemäße Durchführung waren die Bauern Arthur Breitkreuz, Wilhelm Kitzrow und Herrmann Tometh als Parteisekretär.
Aussage von Frau Welenga:
„Als es dann zu der endgültigen Vergabe der Parzellen kam, wurde ich ausgewählt, aus einem Hut die Lose zu ziehen. Damals habe ich natürlich noch nicht geahnt, dass ich später soviel mit der Landwirtschaft zu tun haben werde und damit auch mein eigenes Los auswählte. So zog ich auch das Los für die Wirtschaft des künftigen Schwiegervaters.“
Alle Neubauern oder auch Neusiedler erhielten bei der Übereignung des Grund und Bodens eine Urkunde. Das erhaltene Land war ab sofort unveräußerliches Eigentum. Es konnte vererbt, aber nicht verpachtet, verkauft oder aufgeteilt werden.

Bodenreform in Kliestow und Eigentumsbeurkundung
06. November: Großeinsatz zur Säuberung des behelfsmäßigen Flugplatzes am Spitzkrug.
Dezember: Im Land Brandenburg waren bereits 406.000 Vertriebene und Flüchtlinge untergebracht, die aber im offiziellen Sprachgebrauch als „Umsiedler“ bezeichnet wurden. Auf der Potsdamer Konferenz war beschlossen worden, dass die Mark Brandenburg 700.000 Vertriebene aufzunehmen hat...
...im Jahre 1949 waren es 723.000 Vertriebene im Land Brandenburg. In Kliestow waren etwa 30 Vertriebenenfamilien untergekommen. Allein im Gutshaus waren etwa 10 Familien einquartiert. Davor war es kurz durch sowjetische Besatzungstruppen belegt.
