Kliestow - Ortsteil der Stadt Frankfurt (Oder)

Thema 2: Erste Besiedelungen

 

2.1. Antike2.2. Burgundische Siedlung2.3. Wendische Besiedelung

 

 

2.1. Antike

Klaudios Ptolemaios (auch geschrieben Claudius Ptolemäus, ca. um 100- 178 n. Christi) verfasste die „Geographia“, in der er als erster Mensch Europa beschrieb. Nach diesen Beschreibungen wurden 1000 Jahre später die so genannten Ptolemäischen Weltkarten erstellt. Die Siedlung Frankfurt oder doch besser vielleicht Küstrin oder Kliestow wird darin mit dem Namen Colancorum bezeichnet. Mit Hilfe von Computerprogrammen wurden durch ein Team der TU Berlin diese Karten auf die heutigen Verhältnisse umgerechnet. Bei den Umrechnungen der Koordinaten von Ptolomaios in unsere modernen Karten geht Prof. Leigemann von einer Abweichungstoleranz von etwa maximal 20 km aus.

 

In unserer Gegend sind nur drei größere germanische Fundstellen bekannt, die in die Zeit Ptolemaios´ datieren: Wilhelmsaue, Wüste Kunersdorf (siehe Bild unten) und Kliestow.

 

Wilhelmsaue scheidet aus, da es sich mit mehr als 30 km Abweichung in Richtung Norden befindet. Lebus weist zu dieser Zeit (um Christi Geburt bis 150 nach Christi) nach Aussage von Prof. Dr. Schopper (Landesarchäologie des Landes Brandenburg), eine rund 100 jährige Siedlungslücke aus.

Es kann also somit nicht in Betracht kommen.

 

Bleiben Wüste somit also Kunersdorf und die Gegend des Frankfurter Ortsteiles Kliestow. Durch eine Lehrgrabung der Humboldt-Universität Berlin im Zeitraum von 1959 bis 1965 konnte eine germanische Siedlung im 1. Jahrhundert vor Christi im Bereich von Wüste Kunersdorf nachgewiesen werden. Die hier lebenden Germanen gehörten dem Stamme der Semnonen an und unterhielten sowohl Beziehungen zu den Germanen aus dem Stamm der Burgunder, die östlich der Oder lebten, als auch zu den Elbgermanen (Quelle: MOZ 06.03.2008).

 

 

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2.2. Burgundische Siedlung

Bild: Karte der Ausgrabungen 1936

 

Quelle: Klaus Fechner, Stadtarchiv

Die Burgundersiedlung auf der Gemarkung von Kliestow wird auf eine Ausdehnung von 10.000 m² veranschlagt. Davon sind aber erst 772 m² untersucht worden. Der Kulturbereich war eindeutig germanisch, trotzdem wurden allerdings auch römische Artefakte wie Schmuckstücke oder Münzen bei den Ausgrabungen gefunden. Die Frage ob es Beutegut oder Handelsware war, kann nicht geklärt werden. Beide Siedlungsplätze kämen für die Koordinaten für „Colancorum“ Frankfurt (Oder) in Frage. 

 

 

Genauere Kenntnisse über die Germanische (Burgundische) Siedlung wurden schon 1934 bei der Ausgrabung dieser Siedlung erzielt (Bild rechts).

 

1934 wurde nämlich an der heutigen Kliestower Straße, Ecke Ragoser Talweg –Triftweg eine größere ostgermanische Siedlung, burgundische Siedlung, ausgegraben. Man entdeckte bei den Grabungen Hausgrundrisse mit Herdstellen, Knochen beerdigter Tiere, Scherben, Spinnwirbel und Geräte, die eindeutig darauf hinwiesen, dass diese Siedlung von dem Volksstamm der Burgunder gegründet wurde.

 

Die Burgunder, ein ostgermanisches Volk, haben sich etwa im 1./2. Jahrhundert zwischen Oder und Warthe niedergelassen und auch im Westen der Oder, wie diese Siedlung beweist.

Seit dem 3. Jahrhundert wanderten aber wiederholt Stammteile der Burgunden schon nach Süden ab, was sich auch im Abbruch einiger Fundstellen widerspiegelt. Manche Siedlungen bestanden noch bis in die ersten Jahrzehnte des 4. Jahrhunderts, dann endeten auch sie. Es wird angenommen, dass die Kliestower Siedlung im Verlaufe der 1. Hälfte, spätestens aber um die Mitte des 4. Jahrhunderts wieder verlassen wurde. Über etwaige Restbevölkerung ist nichts bekannt, die nach dem Abzug der Burgunden vielleicht noch blieb.

 

Die nachstehenden Fotos zeigen den Ort der ehemaligen Siedlung 1934 und 2008:

 

 

Quelle: Klaus Fechner, Stadtarchiv   Foto: Klaus Fechner, 2008

1934

 

2008

 

         

 

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2.3. Wendische Besiedlung

7./8./9.Jh        Erste slawisch – wendische Besiedlung

 

Ende des 6. Jahrhunderts unserer Zeit wanderten die ersten Slawen in unser Gebiet ein. Die Keramikfunde belegen, dass sie aus heute polnischen Gebieten kamen. Im 7. Jahrhundert wurden die ersten Burgen gebaut.

Ende des 7. Jahrhunderts kamen Stämme oder Stammesteile von Südosten her in unser Land. Ihre Keramik, die schon mittels Drehscheibe hergestellt wurde, weist Beziehungen nach Schlesien und dem Gebiet an der Weichsel aus. Entlang der Oder zogen sie nach Norden und Nordwesten.

In dieser Zeit entstanden die Burgwälle an den Höhenlagen der Oder in Kliestow, Lebus, Reitwein und Lossow. Angelegt wurden sie von den Liutizen zu dem Grund, sich vor den polnischen Ausdehnungsbestrebungen zu schützen bzw. ihnen Einhalt zu gebieten.

 

 

Quelle: Klaus Fechner, Stadtarchiv

Bild: Schema des Kliestower Burgwalls

 

 

Ca. zwei Kilometer nordöstlichh von Kliestow untersuchte Wilhelm Unverzagt in den Jahren nach 1930 eine etwa dreieckige Höhenburg mit einem Wall in Kastenkonstruktion, der innenseitig mit einer Art Kasemattenbebauung versehen war.

 

Die Burg liegt auf einen Sporn, der westlich und nördlich durch ein Tal, im Osten durch die Oder begrenzt ist. Lediglich im Süden ist das Wallgelände durch einen Sohlgraben abgetrennt. Zu jener Zeit waren wohl außer der Südseite die Täler auch versumpft und bildeten somit einen zusätzlichen Schutz.

 Die Innenfläche des Walls war, abgesehen von der kasemattenartigen Bebauung an der Wallinnenwand, nicht oder nur locker bebaut. Die Funde aus den Grabungen von 1936 bis 1938 datierte Unverzagt in mittelslawische Zeit. Er geht auf Grund der Entwicklungsstufe der Keramik davon aus, dass die Burg in der zweiten Hälfte des 10. Jahrhunderts bestanden hat und gegen Ende des 10. Jahrhunderts oder am Beginn des 11. Jahrhunderts durch Brand zerstört wurde. Dem ist nach neuesten Erkenntnissen nicht zu widersprechen, außer, dass die Zerstörung der mittelslawischen Burgen im Lebuser Land generell mittlerweile in das letzte Viertel des 10. Jahrhunderts datiert wird.

 

Das Bild des Burgwalles von Kliestow unterscheidet sich aufgrund der Innenraumbebauung von den benachbarten Burgen in Lossow, Lebus und Reitwein. Während diese eine dichte Bebauung aufwiesen, gab es in Kliestow nur die kasemattenartige Bebauung entlang der Wallmauer. Dieser Umstand führte dazu, dass Kliestow im Gegensatz zu den anderen Burgen nicht als bewohnte, so genannte „Volksburg“, sondern als eine Art militärischen Vorposten für die nördlich gelegene Burg Lebus angesehen wird, zumal beide Burgen sich in Sichtweite befanden. Sie diente somit rein militärischen Zwecken als kleine Wehrburg bzw. als Fluchtburg der Bevölkerung bei kriegerischen Durchzügen. Die Kliestower Burg fiel also sicherlich bei der Eroberung durch Polen einem Brand zum Opfer, wurde nicht mehr aufgebaut und verödete im Laufe der Jahrhunderte.

 

 

Quelle: Klaus Fechner, Stadtarchiv

Bild: Lage von Kunersdorf, der antiken Siedlungen und späteren Gehöfte

 

 

In dieser Zeit entstand auch unweit des Burgwalls eine unbefestigte wendisch slawische Siedlung genannt Klein-Kliestow. Auch Kliestow hat seinen slawischen Namen behalten, der sich von einem altpolabischen Ausdruck für Fisch oder einer Fischart ableitet. Ein weiteres namenkundliches Indiz für die Anwesenheit der Slawen an diesem Ort ist auch die spätere Umbenennung von Klein-Kliestow in „Wendischer Hof“, was für die ursprüngliche Ansiedlung oder eine spätere Umsiedlung slawischer Bewohner spricht. (Quellen u. a. Frankfurter Jahrbuch 2008/2009, Frankfurter Geschichten Heft 20 Karl Michelke)

 

 Ein Einödshof befand sich unterhalb der Oderhänge am Feldweg nach Lebus (Lebuser Unterweg, heute Triftweg). Folgte man diesem Feldweg damals, was heute nur noch bis zum letzten Grundstück (Ort des Einödshofs) möglich ist, so gelangte man nach ca. 3 Kilometern zum Kliestower Burgwall. Möchte man heute die Reste der Wallburg besichtigen, muss man über das Grundstück der Melkanlage bzw. Viehwirtschaft gehen.

 

Stammesnamen für die ersten Einwandwanderungsgruppen sind nicht überliefert.

Eine dünne Besiedlung wird wohl in der Folgezeit immer bestanden haben, aber in der so genannten Ostkolonisation entstand dann der Ort Kliestow. 

© Alle Rechte vorbehalten: Heimatverein Kliestow e. V. | letzte Änderung/Aktualisierung 25.04.2023